Rechenleistung aktueller Fahrzeugmodelle

Die Architektur moderner Software-definierter Fahrzeuge lässt sich in die Funktionsbereiche Antriebsstrang, Komfort, Konnektivität, digitales Cockpit und ADAS unterteilen, siehe VW oder NXP.

Zur Bereitstellung von Funktionen werden heute in allen Bereichen Electronic Control Units (ECU)("Computer") bestehend aus Hard- und Software verwendet. Der Bedarf an Rechenleistung in den Bereichen ADAS und digitales Cockpit ist am größten.

Dieser Beitrag untersucht welche Funktionen heutige Fahrzeuge im Bereich ADAS und digital Cockpit zur Verfügung stellen, wie diese gemeinsam mit anderen Unternehmen in Computern umgesetzt werden und welche Rechenleistung von diesen erwartet werden kann.

Anforderungen an automotive Computer

Ursächlich für die hohe Rechenlast im Bereich ADAS und digital Cockpit ist die Vielzahl der Funktionen. Diese werden hier kurz vorgestellt.

Hinzu kommen Anforderungen an die funktionale Sicherheit (ISO 26262) oder Zuverlässigkeit von Bauteilen (z.B. AEC-Q100).

Autos sollen über eine Dauer von mehr als 10 Jahren bei Temperaturen von z.B. -40 °C bis 85 °C zuverlässig funktionieren. Alle Bestandteile müssen mindestens den gleichen wenn nicht sogar höheren Anforderungen genügen.

Advanced Driver Assistance Systems/Autonomes Fahren

ADAS analysieren die Fahrsituation und unterstützen den Fahrer mit gezielten Signalisierungen oder Fahrzeugsteuerungen. Abhängig vom Grad der Automatisierung des Fahrens lassen sich Fahrzeuge in sechs Level einteilen. Angefangen bei Level 0, keine Automatisierung, bis hin zu Level 5 volle Automatisierung.

Beispiele für aktuell erhältliche ADAS sind z.B. Automatische Notbremsung, Fahrspurzentrierung, Geschwindigkeitsregelung, Fernlichtsteuerung, Fahrer Monitoring, Stau-Assistent.

Digital Cockpit

Das digitale Cockpit schafft ein neues Human Machine Interface (HMI, Mensch-Maschine-Schnittstelle) dessen Eigenschaften vor allem durch Software definiert wird.
Es umfasst z.B. das digitale Kombiinstrument, Head-Up Display oder Infotainment.

Digital Cockpit des Mercedes EQS.
Digital Cockpit des Tesla Model S Plaid.

Digitales Cockpit des Tesla Model S Plaid Quelle.

Das digitale Kombiinstrument zeigt für den Fahrer notwendige Informationen an und wird ggf. durch ein Head-Up Display ergänzt.

Infotainment Systeme unterstützen heute Funktionen wie Sprachassistenten, Smart-Home Funktionen, Musikstreaming, Apps von Dritt-Anbietern, Anzeige der Bilder der Fahrzeugkameras oder Gaming.

Zur Anzeige und Bedienung des digital Cockpits werden mehrere hochauflösende Displays (3,2 MP für das Zentraldisplay bei Mercedes) eingesetzt. Für die Wiedergabe von Audio stehen im Tesla Model S 22 Lautsprecher zur Verfügung.

Partnerschaftliche Entwicklung

Die Entwicklung von ADAS und digital Cockpit erfolgt typischerweise im Rahmen von Partnerschaften mit Unternehmen wie der Intel-Tochter Mobileye (nur ADAS), NVIDIA oder Qualcomm.

Die Unternehmen bieten den Autoherstellern nach Automobil-Standards (z.B. funktionale Sicherheit nach ISO 26262, oder Zuverlässigkeit nach AEC-Q100) zertifizierte Hardware sowie Software-Entwicklungswerkzeuge für die Entwicklung von herstellerspezifischen ADAS oder digital Cockpit an.

Das Ergebnis ist typischerweise eine Baugruppe die Autohersteller dann in verschiedenen Fahrzeug-Modellen einsetzen können: im Bereich digital Cockpit z.B. das Mercedes MBUX oder Volkswagen MIB3.

Es ist möglich, dass sich die Hardware dieser Baugruppe innerhalb einer Modellgeneration ändert. So wird in den digital Cockpit Computer MIB3 des 2019 eingeführten Golf VIII seit Ende 2021 ein leistungsstärkerer SoC eines anderen Herstellers verbaut.

Auch mit welchen Unternehmen Autohersteller zusammenarbeiten ändert sich. So entwickelte BMW ihre ADAS in der Vergangenheit gemeinsam mit Mobileye. Anfang 2022 kündigten sie den Wechsel zu Qualcomm Snapdragon Ride an. Im ab Ende 2022 erhältlichen BMW 7er ist trotzdem noch ein ADAS aus der Kooperation mit Mobileye verbaut. Mercedes arbeitete für die Entwicklung des ADAS und digital Cockpit für die neue S-Klasse und den EQS mit NVIDIA zusammen. Ende 2022 kündigte Qualcomm an, dass das digital Cockpit in Mercedes-Fahrzeugen zukünftig mit Qualcomm Snapdragon digital Cockpit entwickelt wird. Im Bereich ADAS scheint Mercedes aber weiter mit NVIDIA zusammen zuarbeiten.

Welche Hardware in einem bestimmten Auto verbaut ist, hängt somit von mehreren Faktoren wie Partnerunternehmen, Modell und Produktionszeitraum ab und ist Änderungen unterworfen.

Welche Hardware momentan am Markt eingesetzt wird, lässt sich nachfolgender, unvollständiger Liste entnehmen:

Autohersteller ADAS digital Cockpit/Infotainment
Volkswagen "Travel Assist" Mobileye (ICAS2) "MIB3" Samsung Exynos Auto 8890 , seit 2022 Qualcomm Snapdragon 820A (ICAS3)
BMW Driving Assist Professional, Mobileye "iDrive 8" Intel Atom A3960
Mercedes-Benz Drive Pilot, NVIDIA DRIVE Xavier "MBUX2" NVIDIA DRIVE Xavier
Volvo NVIDIA DRIVE Xavier und Orin Qualcomm Snapdragon 820A?
Hyundai Kia Mobileye "ccOS" NVIDIA DRIVE
Tesla Auto Pilot, Tesla Full Self Driving "Tesla Arcade"
Renault "OpenR Link" Qualcomm Snapdragon 820A
Ford "Blue Cruise" Mobileye
Opel "Pure Panel Cockpit" Qualcomm Snapdragon 820A?
Honda Qualcomm Snapdragon 820A

Mobileye EyeQ4 Chip wird z.B. im Audi Q8 BMW 3er, X5,Ford Mach-E und F150,Volkswagen ID.4 verwendet.

Der Nachfolger Mobileye EyeQ5 wird z.B. im BMW 7er verwendet.

Quelle: Mobileye CES 2023

NVIDIAs DRIVE Xavier wird z.B. in der aktuellen Mercedes-Benz S-Klasse und EQS verwendet.

Volvo EX90 verwendet sowohl Xavier als auch dessen Nachfolger Orin.

Datenverarbeitung in aktueller Hardware

Wie Eingangs gezeigt, werden die automotive Computer im ADAS bzw. digital Cockpit zur Realisierung verschiedener Funktionen genutzt. ADAS Computer werden vor allem für die Umfeldwahrnehmung, Fahrtplanung und Steuerung des Fahrzeugs benötigt.

Digital Cockpit Computer hingegen hochauflösende Grafiken rendern, verschiedene Anwenderprogramme ausführen oder Sprache verarbeiten.

Die dafür eingesetzte Hardware wird im folgenden beleuchtet.

ADAS

In ADAS empfängt ein zentraler Computer Sensorsignale aus der Fahrzeugumgebung, leitet die Fahrsituation her, plant die weitere Fahrt, steuert Aktoren an und überwacht das Resultat. Die Datenverarbeitung erfolgt in Echtzeit bei möglichst geringer Latenz.

Das ADAS in der aktuellen S-Klasse verarbeitet Informationen aus insgesamt 30 Sensoren, bei Tesla aus acht 1,2 MP Kameras.

Das Sensor-Set NVIDIA DRIVE Hyperion 8.1 umfasst 12 Kameras, neun Radare, ein Lidar, 12 Ultraschallsensoren

Nachfolgende Tabelle listet für die Rechenleistung wesentliche Bestandteile aktuell verbauter ADAS Computer auf:

Computer Launch Level Power CPU GPU NPU RAM
NVIDIA DRIVE Xavier 2018 2/3 30 W 8x ARM Carmel@2,3 GHz Volta 512 CUDA Cores@1,4 GHz 2x NVDLA 32 GB LPDDR4X 137 GB/s
Mobileye EyeQ4 2018 2+ 6 W 4x MIPS M5150@1 GHz, 32 bit XNN, PMA, VMP ?
Tesla Full Self Driving 2019 5 36 W 12x ARM Cortex-A72@2,2 GHz Custom GPU Custom NPU 8 GB LPDDR4X 69 GB/s
NVIDIA DRIVE Orin 2019 5 60 W 12x ARM Cortex-A78AE@2,2 GHz Ampere 2048 CUDA Cores@1,3 GHz 2x NVDLA 2.0 64 GB LPDDR5 205 GB/s
Mobileye EyeQ5 2021 2+ 10 W 8x MIPS I6500F 64-bit XNN, PMA, VMP LPDDR4X

Die hier gelisteten Chips werden als dieser zentrale Computer eingesetzt. Die Analyse der Fahrzeugumgebung sowie die Planung erfolgt zunehmend mit Hilfe von künstlicher Intelligenz in Form von neuronalen Netzen. Zur Steigerung der Effizienz und Beschleunigung der Berechnung (im Auto nur Inferencing) werden diese auf dafür optimierten Prozessoren, sogenannte Neural Processing Units (NPU) ausgeführt. Eine vorhandene Graphics Processing Unit (GPU) wird z.B. für die Verarbeitung von Bilddaten der Kameras verwendet. Die Central Processing Unit (CPU) koordiniert die anderen Prozessoren und ist für alle übrigen Berechnungen zuständig. Bei den genannten Computern werden diese Prozessoren (mit weiteren Steuerwerken) als System-on-Chip auf einem einzigen Silicium-Chip integriert.

Nachstehende Abbildung zeigt das Blockschaltbild des SoC NVIDIA DRIVE Orin:

Blockschaltbild des System on Chip NVIDIA DRIVE Orin, verbaut im Volvo XE90.

Tesla gibt an das deren NPU (Neural Processing Unit) etwa 1400 mal mehr Daten als die CPU verarbeiten kann.

Es fällt auf, dass die heute eingesetzte Hardware teilweise vor vier Jahren auf den Markt gebracht wurde. Die Leistungsaufnahme der Chips bewegt sich im Bereich von Laptops. Es ist keine komplexe Kühlung notwendig. Alle Computer enthalten, neben der CPU, für das Inferencing von neuronalen Netzen optimierte Prozessoren.

Mit Ausnahme von Tesla FSD Chip und NVIDIA DRIVE Orin reicht die heute verbaute Hardware nicht für autonomes Fahren (Level 5).

Digital Cockpit

Die vom digital Cockpit geforderten Funktionen bedeuten in der Praxis das Rendern hochauflösender Grafiken, das Ausführen von Anwenderprogrammen mit unterschiedlichen Anforderungen an Echtzeitfähigkeit und Sicherheit, Sprachverarbeitung u.a..

Die genannten Funktionen werden typischerweise im Kontext eines automotive Betriebssystems ausgeführt, z.B. Automotive Grade Linux oder BlackBerry QNX.

Nachfolgende Tabelle listet für die Rechenleistung relevante Komponenten der digital Cockpit Computer. Für Power und Taktrate wurde jeweils der maximal Wert angegeben.

Chip Launch Power CPU GPU NPU RAM
Qualcomm Snapdragon 820A 2016 ~ 5W 4xKryo@2,1 GHz Adreno 530 Hexagon 680 DSP LPDDR4 30 GB/s
Intel Atom A 3960 2017 12,5 W 4x Goldmont@2,4 GHz Intel HD 505 - 8 GB LPDDR4 38 GB/s
NVIDIA DRIVE Xavier 2018 30 W 8x ARM Carmel@2,3 GHz Volta, 512 CUDA Cores@1,4 GHz 2x NVDLA 32 GB LPDDR4X 137 GB/s
NVIDIA DRIVE Orin 2019 60 W 12x ARM Cortex-A78AE@2,2 GHz Ampere 2048 CUDA Cores@1,3 GHz 2x NVDLA 2.0 64 GB LPDDR5 205 GB/s
Tesla Digital Cockpit Computer 2018/2021 45 W + 130 W 4x AMD Zen ~3,8 GHz i: Vega 11 CU@1,3 GHz d: AMD NAVI 23 - 8 GB GDDR6 224 GB/s

Heute werden für das digital Cockpit typischerweise eigenständige Computer verbaut.
Für das Rendern der Grafiken werden GPUs eingesetzt. Zum Decodieren des Fahrzeugkamera-Videostreams werden in den Hardware- Decoder eingesetzt.
Sprachassistenten basieren in der Regel auf Sprachmodellen die Neuronale Netze zur Verarbeitung der Mikrofonsignale nutzen. Soweit vorhanden werden hierfür NPUs verwendet.

Die in digital Cockpits heute vielfach verbaute Qualcomm Snapdragon 820A basiert auf dem Mobile SoC Qualcomm Snapdragon 820. Dieser wurde in vielen Highend Smartphones des Modelljahrs 2016 verwendet, ist also schon sieben Jahre alt.

Mit Ausnahme von Teslas entspricht die Leistungsaufnahme der Cockpit Computer der von Smartphones bis hin zu Laptops. Es ist keine komplexe Kühlung notwendig.
Während Qualcomm und NVIDIA für ihre CPUs den ARM Befehlssatz verwenden, kommt beim Tesla Digital Cockpit Computer und BMWs iDrive (Intel Atom) x86 zum Einsatz.

Teslas Cockpit Computer unterscheidet sich von denen der anderen Hersteller in mehreren Aspekten. Er enthält als einziges neben einer integrierten GPU eine zusätzliche dedizierte GPU. Seine Leistungsaufnahme ist mit ca. 180 W um ein Vielfaches größer und erfordert eine komplexere Kühlung. Es ist unklar ob die dedizierte GPU im Akkubetrieb abgeschaltet wird um Energie zu sparen.

Vergleich der Rechenleistung

Referenzsysteme

Für den Vergleich Rechenleistung von automotive Computer mit aktueller Hardware aus Consumer Bereich wurden vier Referenzsysteme ausgewählt: Smartphone, Laptop, Spielkonsole sowie Desktop. Das Leistungsbudget (TDP) der Referenzsystem überschneidet sich zum Teil mit dem momentan verbauter cockpit Computer (Smartphone, Laptop, Spielkonsole). Der Desktop zeigt welche Rechenleistung heute möglich ist, wenn die Leistungsaufnahme eine untergeordnete Rolle spielt.

Aus den Bereich Smartphone, Spielkonsole und Desktop wurden die Systeme/Komponenten mit der derzeit größten Rechenleistung ausgewählt.

Im Smartphone sind das zur Zeit die CPU und GPU des Apple A16. Im Bereich der Spielkonsolen handelt es sich um Playstation und Xbox die eine Zen2 CPU und RDNA2 GPU von AMD verwenden. Als Referenzsystem wird die Playstation verwendet. Für den Desktop wird als stärkste CPU der Intel Core i9-13900K sowie als stärkste GPU NVIDIAs RTX 4090 ausgewählt.

Für den Vergleich zu Laptops wird der Apple M1 Pro verwendet. Dieser ist wie die ADAS und digital Cockpit Chips als SoC gefertig, enthält CPU, GPU und NPU und erreicht eine ähnliche Leistungsaufnahme wie NVIDIA Orin (60 W).

Die Komponenten und Mikroarchitekturen der Referenzsysteme können nachfolgender Tabelle entnommen werden:

Bereich CPU GPU TDP
Smartphone SoC Apple A16 2xEverest@3,5 GHz, 4xSawtooth Apple 5 Core 5 W
Laptop SoC  Apple M1 Pro 8x Firestorm@3,2 GHz, 2x Icestorm@2,1 GHz Apple 16 Core 60 W
Spielekonsole Playstation 5 AMD 8x Zen2@3,5 GHz RDNA2 36 CU@2,3 GHz 180 W
Desktop Intel Core i9-13900K, 8x Raptor Cove, 16x Gracemont, NVIDIA RTX 4090, 16384 Ada Lovelace CUDA Cores@2,5 GHz , 450 W 800 W

ADAS - Vergleich der NPUs

Wie Eingangs erwähnt, spielt für ADAS vor allem die Performance der NPU eine maßgebliche Rolle. Je höher der Grad der Automatisierung, desto höher die Rechenlast, insbesondere für die NPU.

Die Rechenleistung einer NPU wird typischerweise in INT8 TOPS angegeben. Hiermit ist die Anzahl der möglichen Berechnungen pro Sekunde (Tera = 10 ^ 12 = Billion, Operations per Second (OPS)) mit 8-bit langen Ganzzahlen (Integer) gemeint. Je mehr, desto besser.

In NVIDIA Xavier/Orin sind sowohl die GPU als auch die NPU für Inferencing-Berechnungen (INT8) optimiert. Die Anzahl seiner KI Operationen pro Sekunde (KI-OPS) ergibt sich aus der Summe der Operationen von NPU und GPU. Bei Mercedes-Benz wird Xavier sowohl für ADAS als auch digital Cockpit verwendet. Hier wird die Rechenleistung zwischen ADAS und digital Cockpit aufgeteilt.

Im Tesla Full Self Driving Computer sind zwei redundante Chips verbaut, die jeweils 72 TOPS Rechenleistung zur Verfügung stellen. Der zweite Chip dient der Überprüfung der Ergebnisse des ersten Chips und führt die gleichen Berechnungen aus.

Für die NPU des Apple A16 (Neural Engine) konnten keine Angaben zur Rechenleistung mit INT8 gefunden werden. Die angegeben TOPS beziehen sich Berechnungen mit FP16. Es ist unbekannt, ob die NPU auch INT8 unterstützt und damit u.U. mehr TOPS erreicht würde.

Nachfolgendes Abbildung zeigt die Rechenleistung, gemessen in INT8 TOPS der ADAS-Computer und Referenzsysteme.

Die Rechenleistung der ADAS Computer unterscheidet sich deutlich abhängig von z.B. des Automatisierungslevels des Fahrens (Level 0 bis 5).

Die Rechenleistung aktueller Level 2 und Level 3 ADAS Computer liegt teilweise unterhalb, teilweise oberhalb der von aktuellen Smartphones. Level 5 ADAS Computer erreichen dagegen schon die vier- bis 15-fache Rechenleistung der leistungsstärksten Smartphones. Die leistungsstärksten Desktop PCs erreichen im Vergleich zu den Level-5-ADAS-Computer die neun-fache Rechenleistung.

Der Leistungszuwachs zwischen Generationen von ADAS Computer ist zur Zeit groß.
So wuchs die Rechenleistung bei Mobileye bzw. NVIDIA um ca. Faktor acht. Auch mit zukünftigen Generationen sind große Leistungssprünge zu erwarten.

Die KI-Rechenleistung von Consumer Geräten hängt davon ab, ob eine NPU verbaut ist oder eine geeignete GPU vorhanden ist. Smartphones verfügen typischerweise über eine NPU. Desktops und Laptops dagegen nicht. Ihre KI-Rechenleistung hängt maßgeblich von der GPU ab. Die Ausnahme sind Laptops mit Apples SoCs, die die NPU aus den Smartphones übernommen haben.

Der NVIDIA Orin Chip kann etwa das 16-fache an KI Operationen verarbeiten im Vergleich zu einem aktuellen Smartphone (hier iPhone 13/14 mit Apple A15 Neural Engine).
Aktuelle Highend Desktop Grafikkarten können etwa das 2,5-fache an KI-OPS im Vergleich zu Orin berechnen, sind jedoch für mehr als die 7-fache Leistung spezifiziert (450 W vs 60 W) .

Tesla FSD Chip und NVIDIA Orin sind beide für voll autonomes Fahren gedacht (L5), wobei Teslas weniger als 1/3 der KI-Rechenleistung im Vergleich zu NVIDIA zur Verfügung hat. Selbst unter der Annahme das Orin aus Gründen der funktionalen Sicherheit für die Fahrtplanung nur die Hälfte der Rechenleistung verwendet (so wie Tesla), steht diesem immer noch mehr als 70 % zusätzliche Rechenleistung im Vergleich zum Tesla FSD zur Verfügung.

Digital Cockpit

Die Interaktion mit dem digital Cockpit wird durch die kombinierte Rechenleistung von CPU, GPU und NPU möglich.

Vergleich der CPUs

Zum Vergleich der CPU Rechenleistung wird der multi-Plattform CPU Benchmark Geekbench 5 verwendet. Geekbench ist für Windows/Linux,Mac,iOS/Android verfügbar. Der Benchmark lässt die CPU verschiedene Aufgaben wie Textkomprimierung, Code Kompilierung, Gesichtserkennung, PDF Rendering, Sprachererkennung und Machine Learning bearbeiten lässt und anschließend einen Score errechnet. Der Benchmark läuft zweimal: beim ersten Durchlauf wird nur ein CPU-Kern verwendet, beim zweiten Durchlauf dürfen alle CPU-Kerne verwendet werden. Für die Durchläufe wird ein Single Core Score bzw. Multi Core Score berechnet. Je größer der Score, desto schneller hat die CPU die Aufgaben bearbeitet. Dabei deutet eine doppelte Punktzahl auf eine etwa doppelt so leistungsfähige CPU hin. Die Punktzahlen werden in einer online einsehbaren Datenbank gespeichert.

Für die ADAS und digital Cockpit sind in der Datenbank keine Einträge vorhanden. Hier wurde stattdessen auf die Benchmark Scores anderer Chips zurückgegriffen, die teile der Mikroarchitektur der Automotive Chips (z.B. CPU Kerne) verwenden oder eine ähnliche Rechenleistung aufweisen. Die Benchmark Scores wurden um etwaige Unterschiede in der Taktrate angepasst. Zur Bestimmung der Rechenleistung wurde jeweils die maximale Ausbaustufe der Chips betrachtet. Der Multiscore wurde mit 75 % der Summe der Singlecore Scores berechnet.

Die hilfs-Scores wurden wie folgt berechnet:

Qualcomm Snapdragon 820A basierend auf Smartphone LG V20 mit Qualcomm Snapdragon 820 2,2 GHz Geekbench SC 330

Intel A 3960 Geekbench 5 Scores basierend auf Intel Celeron J3455 (4x Goldmont bis 2,4 GHz, 10 W): SC 290 * 2,4 GHz/2,3 GHz = 300 , MC 986 * 2,4 GHz/2,3 GHz = 1030

Tesla FSD CPU Performance basierend auf dem Score das Smartphone Huawei Mate 8, aus dem Jahr 2016. Dessen CPU verwendet ebenfalls den Kern Cortex-72, der hier 100 MHz schneller als in Teslas Chip taktet. Der Geekbench 5 Score wurde auf 96 % (2,2 GHz /2,3 GHz = 0,96) korrigiert.

Tesla Digital Cockpit Computer CPU Performance basierend auf AMD Ryzen 1500X. Teslas CPU basiert wohl auf V1807Bwelcher 4 Zen-Kerne@3,8 GHz verwendet. Geekbench SC 896, MC 3582 3,8 GHz/3,7 GHz * 896 = 920. MC Score nach unten auf 3500 korrigiert, da 1500X größere TDP (65 W) im Vergleich zum V1807B (35 W bis 54 W).

NVIDIAs Xavier CPU Kerne vom Typ Carmel basierend auf Smartphone Oneplus 6T bewertet. Dessen CPU verwendet den Kern Cortex-A75 welcher im Vergleich zu Xavier eine ähnliche Performance liefern soll.

Playstation 5 CPU basierend auf Geekbench Score von 3700X (8x Zen2@4,4 GHz). SC Score 1251 * 3,5 GHz/4,4 GHz = 995, MC Score 8393 * 3,5 GHz/4,4 GHz = 6680

Nachfolgende Abbildung zeigt die Geekbench 5 Single und Multicore Scores der digital Cockpit Computer und Referenzsysteme. Geschätzte Scores sind mit '~' gekennzeichnet.

CPU Geekbench 5.4 Scores der digital Cockpit Computer.

Die Rechenleistung der digital Cockpit CPUs unterscheidet sich sowohl untereinander als auch im Vergleich zu den Referenzsystemen deutlich. Im Bezug auf die Multi Core Rechenleistung ist der Vorsprung am größten: während die beste Smartphone CPU hier mindestens 1,5 mal schneller rechnet, rechnen aktuelle Highend Desktop CPUs bis zu 35 mal so schnell.
Im Single Core Score reichen die schnellsten Cockpit Computer (hier Tesla) fast an die Playstation 5 heran. Die Kerne der anderen Referenzsysteme sind mindestens doppelt so schnell.

Der zur Zeit von vielen Herstellern verbaute Qualcomm Snapdragon 820A entspricht in seiner Rechenleistung der vor 15 Jahren eingeführten Desktop CPU Intel Core 2 Duo E8400. Die Smartphone Variante (SD 820) dieses SoC wurde vor sieben Jahren in Highend Smartphones verbaut.

In einem ähnlichen Leistungsbudget (~5 W) erreichen die besten Smartphones SoC heute (Apple A16) etwa einen fünffachen Single Core Score sowie einen siebenfachen Multicore Score.

Vergleich der GPUs

Für eine flüssige Darstellung der hochauflösenden Grafiken im digital Cockpit ist vor allem die Rendering Performance der GPU relevant.

Zum Vergleich der GPU Rendering Performance wird der multi-Plattform Grafik-Benchmark GFX Aztec High Tier Offscreen bei einer einheitlichen Auflösung von 2560x1440p (3,7 MP) verwendet.
Dieser ist sowohl für Windows/macOS/Linux/Android/iOS verfügbar und verwendet die Betriebssystem-spezifische API. Das Benchmarkergebnis wird in Form der gerenderten Frames per Second (FPS) ausgedrückt, je mehr desto besser. Die Ergebnisse sind in einer Online Datenbank einsehbar. Für den Vergleich wurde jeweils der Median-Wert verwendet.

Einträge für die GPUs der digital Cockpit Computer existieren nicht. Die GPUs werden aber auch in anderen Systemen verwendet, für die sich Einträge in der Datenbank befinden. Für den Vergleich wurden hilfsweise diese Einträge verwendet:

GPU Digital Cockpit Computer Benchmark
Intel Graphics HD 505 Intel Atom A3960 Intel Atom E3950
Adreno 530 Qualcomm Snapdragon 820A OnePlus 3 - Qualcomm Snapdragon 820
Vega 11 Tesla Digital Cockpit Computer AMD RX Vega 11 Graphics
Navi 23 Tesla Digital Cockpit Computer AMD Pro W6600
Die Schätzungen sind mit '~' gekennzeichnet.

Die Rendering Performance der Playstation 5 lässt sich ebenfalls nicht direkt mit denen der anderen Systeme vergleichen. Bekannt ist, dass die GPU der Playstation 5, wie Navi 23, auf RDNA2 basiert und 10 FP32-TOPS an Rechenleistung bietet. Die Rendering Performance wird deshalb als ähnlich zur Playstation 5 angenommen.

Mit diesen Benchmark Ergebnissen stellt sich die Rendering Performance wie folgt dar:

Im Vergleich zum typischen digital Cockpit Computer ist die Rendering Performance der Referenzsysteme um mindestens den Faktor 1,5 größer.

Die einzige Ausnahme bildet Tesla, die neben der integrierten, zusätzlich eine dedizierte GPU verbauen. Deren Rendering Performance ist etwa um den Faktor sechs größer und reicht an die der Playstation 5 heran.

Viele Hersteller verbauen Stand Dez. 2022 den Qualcomm Snapdragon 820A. Dessen GPU entspricht dem Leistungsniveau eines Highend-Smartphones von vor sieben Jahren. Heutige Smartphones, die mit dem Apple A16 ausgestattet sind, erreichen im Vergleich etwa die siebenfache Rendering Performance.

Eine aktuelle Highend Desktop-GPU (hier RTX 4090) bietet im Vergleich zum SD 820A mehr als das 100-fache an Rendering Performance, nimmt aber auch mehr als das 100-fache an elektrischer Leistung auf.

Nachfolgendes Diagramm stellte die CPU und GPU Performance sowie Leistungsaufnahme von automotive Computern (orange) und Referenzsystemen (blau) dar.
CPU Performance auf der x-Achse, GPU-Performance auf der y-Achse. Je weiter oben und rechts ein Computer, desto größer seine Performance. Blasengröße entspricht Leistungsaufnahme. Je kleiner desto besser. Zur besseren Anschaulichkeit wird der Desktop-Rechner nicht dargestellt.

Zukunft

Nachfolgende Tabelle enthält angekündigte neue Generationen von ADAS und digital Cockpit Computer:

Chip Lauch Level Power CPU GPU NPU
Mobileye EyeQ6 Light 2021 1/2 ~ 10 W 2x MIPS64 5 TOPS (INT8)
Mobileye EyeQ6 High 2022 2+/3 < 20 W 8x MIPS64 ARM 64 GOPS (FP32?) 34 TOPS (INT8)
Mobileye EyeQ Ultra 2023 4 < 100 W 12x RISC-V 256 GOPS (FP32?) 176 TOPS (INT8)
Qualcomm Snapdragon Ride Flex Mid 2023 2 x ? ? ? ~20 TOPS
NVIDIA DRIVE Thor 2022 5 xxx ? ARM Poseidon AE 2000 TOPS (FP8)
Qualcomm Snapdragon Ride Flex High 2023 2/3/4 xx ? ? ? ~100 TOPS

Mobileye
Qualcomm
NVIDIA Thor

Zusammenfassung

Die Rechenleistung in aktuellen Fahrzeugmodellen schwankt stark, liegt im Allgemeinen aber unterhalb von den leistungsstärksten Smartphones, Laptops, Spielkonsolen und Desktops.

Die Rechenleistung wird bei den meisten aktuellen Modellen durch zwei getrennte Computer zur Verfügung gestellt. Diese werden in der Regel von unterschiedlichen Unternehmen entwickelt und sind für unterschiedliche Berechnungen optimiert.

Die Rechenleistung der ADAS Computer unterscheidet sich deutlich abhängig von z.B. des Automatisierungslevels des Fahrens (Level 0 bis 5).
Die Rechenleistung aktueller Level 2 und Level 3 fähiger ADAS Computer (z.B. bei BMW, Ford, Volkswagen) liegt teilweise unterhalb, teilweise oberhalb der von aktuellen Smartphones. Level 5 fähige ADAS Computer (Tesla, Mercedes, Volvo) erreichen dagegen schon die vier- bis 15-fache Rechenleistung der leistungsstärksten Smartphones. Die leistungsstärksten Desktop PCs erreichen im Vergleich zu den Level-5-ADAS-Computer die neun-fache Rechenleistung.

Die Rechenleistung der Digital Cockpit Computer schwankt, liegt im Allgemeinen aber unterhalb der leistungsstärksten Smartphones, Laptops, Spielkonsolen oder Desktops.
Der aktuell bei Honda, Opel, Renault, Volkswagen oder Volvo verbaute Computer verfügt über die CPU Rechenleistung eines Desktop von vor 15 Jahren. Das leistungsstärkste Smartphone SoC bietet im Vergleich etwa die siebenfache CPU und GPU Rechenleistung, bei ähnlicher Leistungsaufnahme. Der leistungsstärkste Desktop Rechner erreicht im Vergleich die 30-fache CPU-Leistung bzw. die 100-fache GPU Rendering Performance, ist dabei aber nicht effizienter.

Weiterführende Links

Bosch. "Das Software-definierte Fahrzeug" bosch-mibility-solutions.com https://www.bosch-mobility-solutions.com/de/mobility-themen/das-software-definierte-fahrzeug/ (letzter Zugriff 24.12.2022)

Tesla ,Tesla Autonomy Day. (22.04.2019). Zugriff 24.12.2022. Online Video: https://youtu.be/Ucp0TTmvqOE?t=4329

Elektromobilität Süd-West, Analyse der Aktivitäten und Entwicklungsfortschritte im Bereich der Fahrzeugelektronik mit Fokus auf fahrzeugeigene Betriebssysteme, Online, letzter Zugriff 24.12.2022: https://www.e-mobilbw.de/fileadmin/media/e-mobilbw/Publikationen/Studien/ClusterElektromobilitaetSued-West-Themenpapier-Fahrzeugelektronik.pdf

M. Sharma. "NVIDIA and Qualcomm: Shaping the Software-defined Vehicle" counterpointresearch.com https://www.counterpointresearch.com/nvidia-qualcomm-shaping-software-defined-vehicle/ (letzter Zugriff 24.12.2022).